New York
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New York

2010

160 Dias, 2 Kodak carousel Projektoren, Überblender

Die Diaprojektion New York zeigt eine Abfolge von Bildern, welche in Verfahren direkten Belichtens von Diafilm entstanden sind. Das Spezifische des Lichtes in New York, wo diese “Aufnahmen” entstanden, wird dabei selbsreferentiell.

1. Über Fragmente

1.1. Das was da ist

Man sieht immer das, was da ist. Unsere Welt besteht aus dem was da ist, was es gibt. Was man hört und fühlt, was man mit den Sinnen wahrnehmen kann, Menschen und Gegenstände

Es ist etwas da, das Fragment. Es ist das, was erhalten geblieben ist, was überliefert ist. Was es noch gibt, was nicht verloren gegangen ist. Was nicht zerstört wurde. Es hat die Zeit überdauert und ist uns zugänglich. Es ist anwesend

1.2. Das was nicht da ist

Das Fragment: Ein Teil ist da, ein anderer fehlt

Ein Fragment ist nichts Vollständiges. Es ist etwas abwesend. Sonst wäre die Tonscherbe ein Krug

Fragmente fordern zur Arbeit heraus: Ganzes rekonstruieren. Archäologen finden ein Steinstück und finden heraus, dass es eine Speerspitze war. Der Rest wird aus Gips dazugemacht. Das Übrige anwesend machen. Das Fehlende mit der Phantasie im Kopf erdenken, erschaffen. Herausgefordert zur Arbeit, Tätigkeit

Fragmente werden unter dem Blick des Beobachters zu Rätseln

1.3. Das Zwischen

Der Verweis des anwesenden Teils auf ein Ganzes. Gegenwärtig ist das Anwesende und das Abwesende: was da ist, was sichtbar ist, was erhalten ist. UND: das was nicht da ist. Das Fragment besteht aus der Spannung zwischen diesen beiden Polen

Es ist etwas erhalten geblieben, es liegt vor. Etwas, das dazugehört, fehlt. Der Blick geht auf das Unsichtbare

Anwesendes und Abwesendes: Teile zeigen Ausschnitte, manches ist da, aber nicht alles. Das Abwesende ist auch da, als das, was nicht da ist

Der Blick geht erneut auf das, was da ist, er sieht es in seiner Beschaffenheit. Doch nur um es auf ein mögliches Ganzes hin zu untersuchen

Welche Aufschlüsse erlaubt das, was da ist, über das, was nicht da ist?

Das Teilhafte der Fragmente verweist auf eine größere Wirklichkeit

1.4. Fragmente und Welterfahrung

Fragmente sind wie alle alltägliche Welt- und Selbsterfahrung

Fragment und erwünschte Ganzheit

Das Streben geht auf Einheit, auf Vollständigkeit und das Umfassende. Auf Momente in denen alles da ist

Fragmente zu sehen konfrontiert: mit der diesem Wunsch entgegenstehenden Realität. Und auch wenn momenthafte Zustände der Vereinigung möglich sind, so ist es doch das Teilhafte, Unvollständige, was das Verhältnis zur Welt und zum Selbst charakterisiert

Nie ist alles hell. Die Welt geht nicht in Einem auf, es gibt keine umfassende Logik und Sachkenntnis, in der alles erschlossen wäre – eine Weltformel wird es nie geben, genauso wenig wie ein widerspruchsfreies Offensein der Gesamtheit eines Ichs

Dass in Zeit und Ort die Dinge auseinandergerissen werden. Was vorliegt sind Teile, Fragmente der Welt und des Selbst. Sie lassen eine Ganzheit erahnen. Teile, die in ihrer Teilhaftigkeit darauf verweisen, dass es auch ein Ganzes geben mag

Nicht erfüllte Wünsche sind ein Stachel. Genauso wie Fragmente: ein Stachel, weil sie kein Ganzes in seiner Einheit und seinem Zusammenhang zeigen. Im Wunsch nach Vereinigung den Blick abwenden

Gib mir etwas Ganzes

Verstehen ist Fehlendes (= Fremdes) erkunden. Fremdes im Eigenen und Fremdes im Anderen. Es sind die Leerstellen, die jucken, das was nicht gefunden wurde. Antrieb

Verstehen wollen ist immer Fragmentergänzungsarbeit!

Wünsche und Wollen: Wissen, etwas abschließen, Konflikte beseitigen und Einheit erleben, Ganzheit

Hätte mir nicht jemand etwas Vollständiges liefern können, das mir im Ganzen bekannt werden kann?

[Wo ist das Ganze?]

[Was ist das Ganze?]

[Die Form des Fragments ist die passendste Form des Abbilds unserer Wirklichkeit]

{Verstehen, Philosophie/Was-ist-X-Fragen, etwas ertragen das nicht perfekt ist, etwas präsentieren das nicht perfekt ist, Vollständigkeit des Fragments}

Christoph Schmidt